Kapitel 6.1.

6. Anhänge

6.1. Über die Autorin

Sie war ein aufgewecktes Kind, das ihrer Umwelt zu vorlaut und zu dominant erschien. Sie freute sich auf die Schule, in die sie aber erst mit sieben Jahren kam. Ihre Eltern hatten die Möglichkeit, sie später einzuschulen, was sie zu ihrem Unglück auch taten. Die Grundschule sollte für sie zum Paradies werden, so stellte sie es sich zumindest vor. Als Vorschulkind wurden ihr viele Antworten mit der Begründung verweigert, dass sie diese alle in der Schule stellen könnte. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Fragen waren nicht erwünscht, anders denken auch nicht. Sie war für die Klasse zu schnell und musste warten: auf ihre Mitschüler, auf interessanteren Unterricht und darauf, endlich mal gefordert zu werden. Die Langeweile hielt sie nicht lange aus und fiel durch Stören im Unterricht auf, sie lenkte sich und ihre Mitschüler ab. Es kam zum Streit mit den Lehrkräften, bei dem sie natürlich den Kürzeren zog. Als eine Lehrerin schwanger wurde und eine neue kam, konnte sie ihre Leistungen steigern und machte interessierter mit. Ihre Noten waren gut, aber nicht sehr gut, trotzdem setzte sich die Lehrerin ein, sodass sie auf das Gymnasium kam: Weil sie wissbegierig und konzentriert sein könnte, wenn sie denn wollte.

Im Gymnasium fühlte sie sich noch weniger verstanden und fiel in ihre alten Verhaltensweisen zurück, die nicht gern gesehen waren. Sie wurde zum Klassenclown und versuchte, die Langeweile mit Ablenkungen im Unterricht auszuhalten. Schule wurde immer mehr zu einem Gefängnis, dessen Regeln sie zu befolgen hatte. Ihre Noten wurden parallel zum Interesse an der Schule schlechter, weshalb sie in der zehnten Klasse vom Gymnasium “gegangen wurde”. Sie hatte mittlerweile erfahren müssen, dass sie sogar in ihren Paradefächern dem Unterricht nicht mehr folgen konnte. Mathematik fiel ihr immer leicht, sie verstand sofort die Logik und konnte ihr Wissen auf andere Aufgaben übertragen. Doch in der zehnten Klasse gab es einen Moment, der sich ihr tief einbrannte. Sie verstand nicht, was der Lehrer erklärte. Es war die Hölle. Denn bisher waren ihre Noten zwar eher schlecht als gut, aber sie konnte alle Informationen nachvollziehen und beteiligte sich. Die mündlichen Noten waren gut bis sehr gut, damit konnte sie die schriftlichen ausgleichen. Hätte es diese Möglichkeit des Ausgleichs nicht gegeben, hätte sie es nicht bis in die zehnte Klasse geschafft. Auf dem Gymnasium lernte sie, dass sie immer schuld war, egal ob sie störte, ob sie tatsächlich etwas angestellt hatte oder nicht. Sie war “zu blöd”, um das Gymnasium zu schaffen, und sie konnte ihre bisherigen Berufswünsche an den Nagel hängen, weil dafür das Abitur notwendig gewesen wäre.

Nun ging es also eine Stufe zurück auf die Realschule. Hier half es ihr, dass der Unterrichtsstoff bereits auf dem Gymnasium durchgenommen war, sodass sie ohne viel Lernen gute Noten schrieb. Diese Erfahrung gab ihr Selbstvertrauen und stachelte ihren Ehrgeiz an. Mit einem guten Notenschnitt bestand sie die Mittlere Reife. Mit diesem Erfolgserlebnis ging es gleich weiter auf die Fachoberschule. Auch diese absolvierte sie mit einem guten Durchschnitt. Ihr Ziel zu studieren, musste sie demnach nicht aufgeben, auch wenn es nicht die Universität wurde, sondern die Fachhochschule.

Sie begann ein Bauingenieurstudium, das sie in der Mindeststudienzeit hinter sich brachte. Die Vorlesungen waren durchweg langweilig, und sie war nicht oft anwesend. Stattdessen spielte sie lieber Tennis auf dem fachhochschuleigenen Tennisplatz. Ihr Diplom schaffte sie trotzdem mit einem Notenschnitt von 2,5. Obwohl sie ihre Abschlüsse mit 2,0, 2,1 und 2,5 ablegte, hatte sie immer das Gefühl, schlecht zu sein. Ein Empfinden, nicht alles herausgeholt zu haben, blieb haften. Freude kam nicht auf, da es ein Makel war, dass sie nicht besser war. Allerdings wusste sie nicht, wie sie bessere Noten hätte schreiben können. Lerntechniken kannte sie nicht, also versuchte sie es mit Verständnis und Transferleistungen. Aber ohne Lerntechniken und die Fähigkeit, auswendig zu lernen, stiegen die Noten im Schnitt nicht höher als 2,0. Sie hatte das Gefühl, sie wüsste nichts und hätte sich das Diplom erlogen.

Entsprechend mulmig war ihr Bauchgefühl, als sie zur ersten Arbeitsstelle fuhr. Schnell merkte sie, dass sich die Aufgaben nicht sonderlich von denen des Studiums unterschieden und sie sofort selbstständig arbeiten konnte. Die rasante Einarbeitung hatte jedoch einen Haken: Es kamen danach keine Herausforderungen mehr. Es blieben dieselben Aufgaben und Probleme, die es zu lösen galt. Als sie ihr Aufgabengebiet erweitern wollte, wurde sie vom Chef zurückgepfiffen. Also suchte sie nach einer Arbeit, die sie forderte und erfüllte. Sie fühlte sich als Handlanger, der bloß nicht denken sollte und von dem erwartet wurde, mit angezogener Handbremse zu arbeiten. In der Hoffnung, dass es in anderen Firmen anders laufen würde, wechselte sie die Arbeitsplätze. Rhetorisch hatte sie gelernt, sich zu verkaufen und die vielen Wechsel bei jedem neuen Arbeitgeber zu erklären. Schließlich glaubte sie, dass die langweilige Arbeit und die fehlende Herausforderung mit dem Angestelltendasein zu tun haben müssten.

Deshalb plante sie ihr eigenes Ingenieurbüro. Hier funkte ihr die Rezession dazwischen, während der in der Baubranche so gut wie nichts mehr lief. Also legte sie dieses Vorhaben ad acta. Das Internet war zu der Zeit bereits auf dem Vormarsch, und sie sah hier ihre Chance. Sie eignete sich Kenntnisse von Internet und Programmierung an und gründete einen Versandhandel im Internet. Diese Aufgabe forderte sie heraus. Zudem war sie erfolgreich, das Geschäft wuchs und expandierte. In dieser Phase verbreiteten sich die Betrügereien im Internet. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass gerade im Netz erfolgreich betrogen werden kann. Dies musste sie leidvoll erleben – und ihr Geschäft aufgeben. Nun stand sie mit leeren Händen da. Die Bauwirtschaft hatte sich immer noch nicht erholt, und keiner suchte Ingenieure für ihr Spezialgebiet.

Da sie eine Kämpferin war (und ist), wählte sie eine neue Herausforderung. Sie wollte Berufsschullehrerin werden. So bündelte sie ihre Kenntnisse vom Bauingenieurwesenstudium und ihre Fähigkeit zu unterrichten. Das Schönste war, dass sie sich ihren Traum vom Studium an einer Universität erfüllte. Das Studium war eine Herausforderung, die Mathematikvorlesungen eine reizvolle Aufgabe. Sie studierte schneller als die meisten und erhielt alle Scheine. Doch sie verzweifelte an der Qualität des Lehramtsstudiums und an den engen Vorgaben des Schulsystems. Sie zog ihre Konsequenzen und beendete das Studium. Sie hätte aus Spaß an der Freud gern weiter studiert, aber sie musste ans Geldverdienen denken.

Sie nutzte ihr erlerntes Wissen aus dem Lehramtsstudium und gründete eine Nachhilfeschule. Die Spezialisierung auf naturwissenschaftliche Fächer war nur logisch. So konnte sie vielen Schülern zeigen, dass Mathematik Spaß bringen und von jedem verstanden werden kann. Ihre Erfolge sprachen sich herum, und die Schule wuchs innerhalb von zwei Jahren auf über 100 Schüler pro Jahr. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie bald immer mehr Arbeit abgeben und Nachhilfelehrer sowie Sekretärinnen einstellen. Ihre Arbeit wurde nicht so fortgeführt, wie sie es sich gewünscht hätte, und so gab sie ihr Lerninstitut auf.

Es war eine neue Situation für sie, denn bisher konnte sie immer arbeiten und sich mit ihrer Arbeit ablenken, aber jetzt zwangen sie Schmerzen und Depressionen zum Umdenken. Sie startete eine Suche nach den Gründen und wurde fündig: Sie war hochbegabt. Es dauerte einige Jahre, bis sie alle Krankheitssymptome und Schmerzen zuordnen und die Erkenntnisse entsprechend umsetzen konnte. Geholfen hat ihr dabei, dass sie sich auf sich konzentrierte und zum ersten Mal nur das tat, was sie wollte. Sie schaute nicht mehr auf die Erwartungen und suchte nach gesellschaftlichen Anforderungen, sondern achtete auf sich und ihre Wünsche. So kam es, dass sie den Beruf der Autorin wählte und seitdem in ihrer Arbeit aufgeht. Anfangs war es ein sehr schwerer Weg, da sie bei null anfing, aber sie wuchs in ihren neuen Beruf hinein.